Jetzt schreien alle Politiker (allen voran natürlich unser Herr Stoiber) und realitätsferne Eltern wieder nach einem Verbot von so genannten Killerspielen (wahrscheinlich zählt auch Bomberman dazu, who knows?). Warum? Ja, weil natürlich ein Amokläufer scheinbar wieder mal Counterstrike gespielt hat. Einen anderen Grund für einen Amoklauf gibt es wohl nicht, oder?
Werden demnächst vielleicht auch Schusswaffen verboten? Immerhin haben die meisten Amokläufer auch Schusswaffen, richtig? Oder festes Schuhwerk? Habe jedenfalls noch keinen Killer mit Sandalen gesehen, ihr?
Wie dem auch sei … laut Nachrichten ist das Tagebuch von Sebastian B. Bastian Bosse aufgetaucht und wahrscheinlich steht auch darin nichts von Killerspielen, sondern eher Dinge, die auch in seinem Abschiedsbrief (danke mein-parteibuch.de für die Archivierung) zu lesen sind. Auch sein Blog (letzter Beitrag im August 2005) ist noch erreichbar. Zwei Zitate:
[…] will den Menschen aus dem Weg gehen, um nicht noch mehr Scheiße zu erleben. Die Scheiße; Sie hat sich gelegt, wie ein Strum der Alles zerfetzt, und nun nur noch ein Regen ist und gelegentlich einige Keller vollaufen lässt. Damals war es schlimmer, das 5-8 Schuljahr war das extremste, jetzt hat es sich gelegt, es ist nict mehr so schlimm. Doch die Wunden sind geblieben, nicht nur Körperliche, nein, meist seeliche Wunden, und die Frage: Warum hat man das getan quält mich ebenfalls noch heute. Die meisten wissn es nicht, dachten ich ging jeden Tag zur Schule, mache nicht mit und geh wieder nach Hause. Das einzigste Mal das etwas wirklich nach aussen drang, war als man mir einen glühenden Fahrradschlüssel auf die Hand presste…da hat der Schulleiter Anzeige erstattet.
[…] ich werde den rest meines lebens ein abgefuckter looser sein, und da mir alles egal ist bekomme ich auch keinen abschluss. das ist die hölle, wenn einem alles egal ist. ich mein; ich lerne nicht mehr, ich beteilige mich nicht mehr und…ich tue eigentlich gar nichts mehr ausser vor mich hinvegetieren. es ist die hölle auf erden.
Wohlgemerkt 2005 und niemand hat etwas getan, aber jetzt ist es natürlich populär die unheimlich einfache Lösung des Verbots von gewissen Computerspielen heranzuziehen. Wie bequem.
Übrigens hat die Polizei sowohl seine Homepage (auf der der ursprüngliche Abschiedsbrieg zu lesen war, hier ein Mirror) gesperrt als auch Google dazu bewegt den Inhalt aus dem Cache zu löschen. Warum diese Zensur? Wer soll dabei geschützt werden? Bei Gulli.com gibt es einen interessanten Artikel dazu und durchsucht man Technorati oder die Google Blogsuche findet man noch viele weitere Artikel über die Internetaktivitäten des Amokläufers aus Emsdetten (das Internet vergisst nichts einfach so) … falls es jemand interessiert was sonst noch so über ihn gesagt wird, außer dass er Counterstrike gespielt haben soll.
Kommentare
15 Antworten zu „Killerspiele und die Amokläufer“
[…] Und die Politiker überschlagen sich wieder mit populistischen Aktionen à la Verbot gewaltverherrlichender Computerspiele, schärferer Waffengesetze, Eltern und Schule enger in die Erziehung einbinden, Polizeikontrollen an Schulen und und und. […]
Ich sehe durchaus einen Bezug zwischen gewaltverherrlichenden Spielen und solchen Ereignissen. Ein generelles Verbot ist aber genau so unverhältnismäßig wie die derzeit drohende Vorratsdatenspeicherung oder zugelötete Gullideckel. Man übertreibt halt gerne, vor allem in der Christlich * Union. Was es aber an der Situation verängstigter Kinder ändern soll, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen.
Die Eltern von dem Kerl müssen regelrecht blind gewesen sein. Dort müsste man ansetzen. Es gibt so viele Eltern die überhaupt keinen Draht zu ihrem Kind haben, entweder weil sie sich nicht drum kümmern, oder weil sie es in einer frühen Phase der Erziehung vermasselt haben eine Vertrauensbasis mit ihrem Kind zu schaffen. Der Junge fühlt sich als von allen unverstandener unterdrückter Wicht und rastet aus. Kann ich sehr gut nachvollziehen.
Hat irgendwer behauptet, dass nur Computerspiele dran Schuld waren?!?
Das bei dem Kerl viele Faktoren zusammen gewirkt haben ist wohl nicht von der Hand zu weisen, genauso wenig ist aber von der Hand zu weisen, dass es einen Zusammenhang zwischen Gewalt bei Kindern und gewaltverrlichenden Computerspielen gibt und ich finde es katastrophal, dass um mich rum lauter Leute sind, denen das egal ist.
Die ersten großen Schlagzeilen in der Presse lauteten nun einmal „Verbot von Killerspielen“.
Den Zusammenhang kann man nicht von der Hand weisen, aber ist es nicht viel wahrscheinlicher, dass gewaltbereite Menschen sich zu solchen Spielen hingezogen finden, als dass solche Spiele dazu beitragen gewaltbereite Menschen zu schaffen?
Es ist eben einfach ein solches Verbot zu fordern und deshalb ist es auch meist das erste was man nach solchen Ereignissen hört. Und weil es in den meisten Spielen um das Besiegen eines Gegners geht ist es natürlich auch so offensichtlich als Grund für jedes gestörte Verhalten heranziehbar. Mag sein, dass es mit zu einer Verrohung der Gesellschaft beiträgt (wie auch die täglichen Nachrichtensendungen), aber etwas das Millionen von Menschen nicht zu Killern werden lässt soll dafür verantwortlich sein, dass einige ausrasten? Das wäre doch wie zu behaupten Frühstück führt zu Gewalt, denn die meisten Verbrecher frühstücken vor ihrer Tat …
EDIT:
Quelle – Spiegel Online
Die absolut überwiegende Mehrheit aller Verbrechen wird also mit illegalen Waffen begangen. Wäre das nicht ein sinnvollerer Ansatzpunkt für härtere Verbote als bei Computerspielen anzufangen?
Oder nochmal Spiegel Online zur gestrigen Hart aber fair Talkrunde. Keiner der Talkgäste hatte auch nur eine Ahnung worüber er/sie da eigentlich redet …
„Insgesamt wurde die Diskussion von einer eigentümlichen Abneigung gegen die neuen Medien geprägt. Eine Stimmung, die Moderator Plasberg gegen Ende ironisch aufgriff, indem er die Frage stellte, ob man nicht über einen internetfreien Tag in der Woche nachdenken sollte. Fanden sie natürlich alle gut, die älteren Damen und Herren. Im Garten muss ja auch noch das Laub zusammengeharkt werden.“
In diesem Sinne … am Samstag ist Entlaubungstag ;-)
Natürlich fühlen sich gewaltbereite Menschen zu solchen Spielen hingezogen, weil viele von ihnen, wie auch der hier betroffene, in der reellen Welt mehr als genug auf die Fresse kriegen. Hier können sie sich ungestraft austoben und ihre eigenen Machtgefühle ausleben. Von da aus ist es kein großer Schritt mehr zur echten Gewalttat. Das Milieu und die Marode Erziehung tun ihr übriges dazu.
Im übrigen werden Computerspiele immer realistischer und damit der Abstand zwischen Virtualität und Realität immer kleiner. Manch einer mag sich das mit seinem schlauen Kopf nicht vorstellen können, aber geistig weniger bemittelten Menschen fällt es viel schwerer irgendwo eine Linie zu ziehen.
Wo wir grad bei den Verboten sind: schmeißt am besten alle passenden „ab 16“-Filme aus dem Fernsehprogramm, alles wo Lundgren und Van Damme draufsteht gehört aussortiert. Nummer zwei auf der Liste der gewaltschwangeren Fernsehsendungen: die Tagesschau und RTL News.
Kurzum: die Politiker setzen durchaus am richtigen Punkt an. Aber mit voller Kraft, anstatt die anderen Problematiken mit zu betrachten. Dass es mit einem generellen Verbot nur von Computerspielen nichts bringen wird, darüber sind sich doch wohl alle einig.
Also ich raffe eins in diesem Deutschland nicht. Kaum ist an einer Schule etwas los und es hat was mit Waffen zu tun, dann scheien alle nach schärferen Waffengesetzen und schimpfen über die bösen Killerspiele.
Setzt das doch bitte mal ins Verhältnis mit den Menschen die durch alkoholisierte Autofahrer starben. Besonders nach Diskothekenbesuchen. Verbietet Need for Speed und die Formel 1. Doch iegendwie ist ja Michael Schuhmacher unser Volksheld und die Formel 1 bringt viel Geld, also warum hier was ändern.
Es ist schon so wie vorher gesagt, die meisten Eltern haben keinen Plan, was ihre Kinder so tun und befassen sich nicht mit deren Problemen. Und wenn dann komplett realitätsfremde Politiker etwas in den Raum werfen, stimmen all diese Eltern lautstark zu, um IHre Hände in Unschuld waschen zu können.
Aber freut Euch nicht zu früh, Ihr Politiker, denn was macht Ihr wohl und wie argumentiert ihr, wenn die ersten Erwachsenen, die dann ohne Ihre Killerspiele anfangen abzudrehen und Amok laufen Straftaten begehen? Dann sind das keine Kinder, die diletantische Aktionen planen, dann habt ihr es mit erwachsenen Hirnen zu tun.
Ich hoffe, es wird irgendwann einmal möglich sein (Lions Quest an den Schulen ist der erste Schritt dazu), dass in den Schulen keiner mehr ausgegrenzt wird und die Kinder gegenseitig aufeinander aufpassen.
Ebenso hoffe ich, dass irgenwann einmal Politiker Counterstrike oder Battlefield spielen, und auch alle Eltern, bevor sie ihren Mund aufreißen.
Ich finde dass man bei der Diskussionen rund um den Amokläufer viele Dinge über einen Kamm schert. Killerspiele bringen in 1. Instanz keinen Menschen um – Schußwaffen tun es schon.
Warum darf jemand Handgranaten in seinem Privatbesitz haben? Wenn der Junge auf einem Festival mit einer scharfen Waffe festgehalten wurde gehörts ihm nicht anders als ihn anzuklagen. Bei solchen Aktionen hätte man ihm sämtliche Schußwaffen u.Ä. sofort aus seinem Haus wegnehmen sollen und nicht noch auf eine Verhandlung warten.
Messer sind auch Waffen – sind im Haushalt und verursachen auch Tote – ich weiß. Aber ein Metzgermeister, der tagtäglich das Töten übt, bringt deswegen auch nicht gleich seine Frau um, wenn er einen schlechten Tag hat. Pornos führen auch nicht zu mehr Vergewaltigungen und Soldaten sind auch keine Mörder. Es kommt einfach immer auf den gesunden Menschenverstand an – und den scheinen 99% der Menschen zu haben – sonst hätten wir ja nur noch Amokläufer, Mörder und Kinderschänder. Die Mehrheit geilt sich nur an solchen Aktionen tierisch auf – bad news are good news.
Es ist wirklich schlimm was passiert ist, weil Unschuldige Opfer eines Einzigen geworden sind. Warum sollte man deswegen alle gängeln? Wenn bei jemandem die Sicherungen durchknallen hindert ihn ein Verbot für Bestimmte Dinge mit Sicherheit nicht daran Böses zu besorgen – man kann es ihm erschweren – das mit Sicherheit. Aber verhindern wird man soetwas einfach nicht können.
„Waffen bringen niemanden um, Menschen bringen Menschen um“
Es lebe die NRA!
Natürliche Rauchabzugsanlagen?
Wie wäre es wenn einfach niemand niemanden umbringt? Geht das nicht in die Köpfe der Menschen? Lebt eure Gewaltfantasien in Computerspielen aus und seid nett zueinander … irgendwie fehlt der Jugend da ein Vorbild, denn unsere Generation hatte ja bekanntlich den Knuddelklingonen Worf ;-)
Pöse!
*zustimm*
btw Gratulation zum zweitausendsten Kommentar!
Sehr geiler Text! Kann ich nur zustimmen!
P.S.:
Hab ne Seite gefunden, da kannste für Computerspiele voten und da sind auch ganz interessante Links zur Debatte um Killerspiele…kanns ja mal reinguckn!
http://www.gegen-willkuer.com
Wie kann man bitte bei 2 Fällen (die 4 Jahre auseinander liegen) von irritierten, alleingelassenen Jugendlichen, die deutlich mehr als nur Computerspiele im Kopf hatten, auf Killerspiele als sündenbock zurückgreifen? Bei mehr als 1 Mio. Computerspieler in Deutschland is die Wahrscheinlichkeit statistisch gesehen bei Nullkommanochwas. *Kopfschüttel*
Ich fand diesen Artikel wirklich aufschlussreich und mal sehr erheiternd.
Wenn Killer spielen